Klassen überspringen (Akzeleration)

Eine Akzeleration („Springen“) kann eine gute Lösung sein, birgt aber auch Risiken:

  • Der HB wird aus seiner Altersgruppe gerissen
  • Anpassungsdruck, Außenseiter- und Stigmatisierungsgefahr können steigen
  • Besonders kritische Momente in Pubertätsphase
  • Abhängig von der IQ-Höhe holt HB den Stoff evtl. schnell auf und die Unterforderung beginnt von Neuem

Die Chancen und Risiken für den Schüler müssen individuell abgewogen werden. Falls man das Springen für sinnvoll hält, sollte auf folgende Aspekte geachtet werden:

  • Hinsichtlich der Entscheidung keinen Druck ausüben
  • Haltung des Lehrer in aufnehmender Klasse (bester Prädiktor für den Erfolg des Springens)
  • Soziales Klima in aufnehmender Klasse 
  • Stehen Schüler, Lehrer und Eltern dem Springen positiv gegenüber? Sind sie bereit dies aktiv zu unterstützen?
  • Einrichtung einer mindestens vierwöchigen Probezeit

Ich empfehle beim Springen ein individuelles Integrationskonzept zu erarbeiten, das auf folgende Aspekte eingeht:

  • Schaffung realistischer Erwartungen
  • Prozessbegleitender Austausch mit Schule / Beratung
  • Wer wird wie über HB informiert / wie wird Schüler eingeführt?
  • Ansprechpartner in neuer Klasse
  • Wie wird Nachlernen gestaltet?
  • Wie werden evtl. anfängliche Frustrationserlebnisse auffangen?
  • Umgang mit zu erwartender Gruppendynamik. Hierzu sollte man einschätzen,

- Welche Statusrelevanz schulische Leistung in der neuen Klasse hat
- Ob Hochbegabung als Bedrohung oder Dominanzmöglichkeit wahrgenommen werden wird
- Welchen körperlichen Status hat der  Springende hat
- Wessen Rolle sich durch das Hinzukommen des HB voraussichtlich verändern wird und wie (z.B. die des Klassenbesten). V.a. wenn zu erwarten ist, dass jemand eine attraktive Rolle aufgeben muss oder im Status abfallen wird, sollte man überlegen, wie man die Gruppendynamik gut lenken kann.

In meiner Praxis beobachte ich folgendes:

Ein einmaliges Springen wirkt sich in den allermeisten Fällen eindeutig positiv aus.
Das zweimalige Springen birgt nicht selten besondere Herausforderungen: Die Anpassung in der neuen Klasse kann sich durch die Unterschiedlichkeit in den Pubertätsstadien und den altersverknüpften Rechten schwierig gestalten. Wenn das Kind sich den Älteren anpasst, können in den Familien Konflikte z.B. über die altersangemessenen Rechte des Kindes, entstehen. Auch fällt die für das Abi relevante Phase durch das zweimalige Springen in die Hochphase der Pubertät, was ungünstig sein kann. Diese Herausforderungen treten beim zweimaligen Springen gehäuft, aber nicht immer auf. Selbst wenn diese Schwierigkeiten auftreten, kann das zweimalige Springen unterm Strich trotzdem die beste zur Verfügung stehende Lösung sein, man muss immer individuell abwägen.

Beim ein- und zweimaligen Springen besteht die Gefahr, dass einige Klassenkameraden, denen deutlich wird, dass sie weniger intellektuelle Fähigkeiten und Möglichkeiten haben, als das hochbegabte Kind, mit Neid und / oder Ablehnung reagieren (s. auch Ambivalenzdilemma und soziale Kompetenz). Die Steuerung der Gruppendynamik in der aufnehmenden Klasse ist in diesen Fällen von großer Bedeutung.
Bei einem extremen Springen über mehrere Klassen verliert sich diese Gefahr häufig. Das Kind hat eine so eindeutige Sonderrolle, dass sich ein Vergleich nicht anbietet.  Viele ältere Schüler nehmen gegenüber dem deutlich jüngeren Kind tendenziell eine interessierte und  fürsorgliche Haltung ein, schätzen es aber trotzdem als intellektuell interessanten Partner. Gerade bei Höchstbegabten kann das einmalige Springen über mehrere Schuljahre oder ein schnelles, wiederholtes Springen, sobald das Kind erneut unterfordert ist, eine Lösung darstellen. Man sollte in diesem Fall darauf achten, dass dem Kind immer wieder Möglichkeiten angeboten werden, sich auch mit Altersgleichen auszutauschen. Es kann sein, dass das Kind daran lange Zeit kein Interesse hat, dieses aber z.B. mit Beginn der Pubertät und den damit einhergehenden Interessen, einsetzt. Durch das Springen entstehende Stofflücken sind bei Höchstbegabten meist kein Grund zur Sorge, sie können diese üblicherweise schnell aufholen oder ausreichend kompensieren.

Falls Sie sich gegen das Springen entscheiden sind mögliche Alternativen:

  • Die Teilakzeleration: Der Schüler besucht nur in bestimmten Fächern höhere Klassen.
  • Der Besuch einer Hochbegabtenklasse
  • Der Besuch einer „Schnellklasse": Diese absolviert die Schule üblicherweise in einem Jahr weniger als üblich
  • Bilingualer Unterricht
  • Privatunterricht: Hierbei ist zu bedenken, dass man kaum geeignet Lehrer findet und der Schüler von der Gesellschaft abgekoppelt wird.
  • Außerunterrichtliche Aktivitäten (Wettbewerbe, AG´s, Fortbildungen, Studieren vor dem Abi....)
  • Auslandsaufenthalte

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