IQ-Test
Vor- und Nachteile eine IQ-Tests:
Die meisten Menschen haben Angst davor ihren IQ testen zu lassen. Sie befürchten, dass die Testung ein niedrigeres Ergebnis als vermutet erbringt und sie sich damit auseinandersetzen müssen, eingebildet gewesen zu sein. Außerdem geht die Diagnose hochbegabt zu sein mit einem Stigmatisierungsrisiko einher. Es besteht die Gefahr, dass man zu stark über die Hochbegabung definiert und mit Vorurteilen konfrontiert wird.
Deshalb sind die Vor- und Nachteile eines IQ-Tests individuell abzuwägen.
Die Vorteile sind, dass geklärt werden kann, womit Verhaltensweisen und evtl. Schwierigkeiten zusammenhängen und man sich besser einschätzen kann. Außerdem gewinnt man Zugang zu Ressourcen, z.B. den Zugang zu Hochbegabtennetzwerken mit vielfältigen Angeboten und der Möglichkeit, weitere Hochbegabte kennenzulernen und sich austauschen zu können. Ebenso erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, ein Stipendium zu bekommen. Die offizielle Feststellung der Hochbegabung kann auch notwendig sein, weil die Schule die Hochbegabung ohne Beleg nicht anerkennt und Fördermaßnahmen verweigert.
Der Nachteil liegt in der Stigmatisierungsgefahr.
Je nachdem wie der Test ausfällt, wirkt er sich auch auf das Selbstwertgefühl aus. Im Fall der Hochbegabungsdiagnose gewinnen fast alle an Selbstwertgefühl und Sicherheit. Wird keine Hochbegabung festgestellt, sind viele enttäuscht und müssen dies erstmal verkraften.
Beide Ausgänge müssen ins Selbstbild integriert werden und für manche ist es sinnvoll, sich dabei unterstützen zu lassen.
Falls die Hochbegabung später im Leben festgestellt wird, findet oft ein längerer Verarbeitungsprozess statt, der sich meist um die Themen Selbstwert und Selbstbild, Identität, evtl. Trauer um vergebene Möglichkeiten und Integrationsmöglichkeiten der Hochbegabung dreht.
Ein weiterer Punkt ist, dass eine Hochbegabungsdiagnose sich auch auf die „Systeme“ auswirken kann, in denen der HB lebt, z.B. die Familie, die Schule oder die Firma. Hier können sich Dinge im positiven oder negativen verschieben, z.B. die Zuwendungen der Eltern, Geschwisterbeziehungen, das Standing in der Klasse, Einstellungen der Lehrer, Vorgesetzten und Kollegen u.ä..
Diese Auswirkungen sollten zuvor besprochen und abgeschätzt werden, so dass der eventuelle Hochbegabte entscheiden kann, ob für ihn die Vor- oder Nachteile einer Testung überwiegen.
Wissenswertes zur IQ-Testung:
- Der IQ stellt einen Prozentrang dar und ist kein absoluter Wert, er zeigt das Verhältnis zur Gruppe.
- Jungen werden deutlich häufiger zum IQ Test geschickt als Mädchen. Auch Menschen mit Migrationshintergrund, AD(H)S, LRS oder Rechenschwäche werden oft nicht erkannt. Man sollte hier schon bei kleineren Anzeichen an eine Hochbegabung denken und einen IQ-Test anbieten.
- Der IQ ist altersnormiert und man beobachtet den sog. Flynn-Effekt: die Intelligenz scheint zuzunehmen, ein 2018 geborenes Kind hat im Schnitt mehr Fähigkeiten als ein in den Jahren davor geborenes. Für die Testung bedeutet das konkret, dass man nur IQ-Tests mit aktueller Normierung einsetzen sollte, da der IQ sonst überschätzt wird. Die Normierung sollte auf keinen Fall älter als 10-12 Jahre sein.
- Man kann einen niedrigen IQ simulieren, aber keinen hohen (Ausnahme: man kennt den Test oder hat sehr ähnliche Aufgaben intensiv trainiert).
- Mehrfachtestungen sollten nur geschehen, wenn von fehlerhafter Messung oder ungünstigen Messbedingungen auszugehen ist. Den gleichen Test sollte man aufgrund von Gedächtniseffekten frühestens nach einem Jahr nochmals einsetzen.
- Die IQ - Messung ist eine Potentialmessung, das heißt, bei mehrfachen Testungen zählt der höchste Wert.
- Der IQ ist erst ab ca. 7 Jahren als stabil anzusehen.
Tipp: Der HAWIK bietet eine prognostische Schätzung für jüngere Kinder über die Berechnung des AFI-Wertes (AFI = Allgemeiner Fähigkeitsindex). - Auch sehr junge Kinder können bei Bedarf getestet werden. Hierfür sollten Sie einen erfahrenen Spezialisten suchen und bedenken, dass der IQ vor dem 7. Lebensjahr noch schwankt.
- Viele Höchstbegabte fallen im Bereich der Wahrnehmungsgeschwindigkeit im Vergleich zu den logischen Fähigkeiten ab. Manche schildern auch, dass sie sich als langsam erleben. Dies wird oft als niedriger IQ fehlinterpretiert.
- Bei sehr hohen IQ -Werten (ca.145+) treten aufgrund des seltenen Auftretens Normierungsdefizite auf. Aussagen wie: „XY hat einen IQ von 200“ sind fachlich fragwürdig.
- Der IQ scheint nicht normalverteilt zu sein, es gibt Hinweise auf eine Häufung bei 160 IQ-Punkten.
- Die seriösen IQ-tests sind zwar aufeinander geeicht, trotzdem gibt es Unterschiede. Es gibt Tests, die weitgehend sprach- oder kulturfrei sind, Tests, mit denen man ein differenziertes Profil erstellen kann, was sich z.B. für die Berufsberatung anbietet und andere. Ein guter und erfahrener Tester hat meist mehrere Tests zur Verfügung und wählt den am besten passenden aus.
Einen sehr guten Überblick über seriöse IQ-Tests und deren Spezifika finden Sie bei der Karg-Stiftung unter www.fachportal-hochbegabung.de/intelligenz-tests/
Wie und wo testen?
Eine sehr gute Orientierungsmöglichkeit bietet der 20minütige kostenfreie Onlinetest von Mensa. Man absolviert den Test anonym und bekommt keinen konkreten IQ-Wert rückgemeldet, sondern nur, ob man mit hoher Wahrscheinlichkeit hochbegabt ist und sich die Teilnahme am ausführlichen Test lohnt. Selbst wenn einem der ausführliche Test nicht empfohlen wird, kann man trotzdem sehr intelligent sein, man überspringt nur nicht die willkürlich festgelegte Marke von 130.
Falls die Entscheidung für einen Test gefallen ist, empfehle ich auf die Qualifikation und Erfahrung des Testers zu achten und sich von einem erfahrenen Psychologen, Psychotherapeuten, Pädagogen oder spezialisierten Ergotherapeuten testen zu lassen.
Falls Sie in einen Hochbegabtenverband aufgenommen werden möchten, empfiehlt es sich, sich bei dem Verband zu erkundigen, welche Tests er akzeptiert. Die Informationen findet man meist auf der Webseite des Verbandes.
Kostenlose Testungen werden z.B. über Schulen, Schulämter oder öffentliche Institute durchgeführt, allerdings nur bei bestehendem Bedarf z.B. Schulproblemen oder anstehender Berufswahl. Hierbei ist der Datenschutz zu bedenken: die Testung wird in der Akte der Schule oder des Arbeitsamtes dokumentiert.
Auf der Therapeutenliste dieser Seite finden sie qualifizierte Tester.
Weiterhin finden Sie bei Mensa eine mittlerweile sehr umfangreiche Liste mit Psychologen, deren Tests von Mensa anerkannt wurden. Hier können Sie via Postleitzahl gezielt nach Testern in Ihrer Nähe suchen.
Eine sehr preisgünstige Möglichkeit sind die deutschlandweit stattfindenden Gruppentests von Mensa.
Eine weitere bundesweite Liste mit Adressen von qualifizierten Testern finden Sie über das Fachportal Hochbegabung der Kargstiftung.
© Frauke Niehues