Erziehungstipps

Grundsätzlich gelten natürlich auch für hochbegabte Kinder die grundlegenden Prinzipien guter Erziehung:

  • Wärme und Halt
  • Wertschätzung
  • Förderung und Unterstützung
  • sinnvolle Grenzen
  • Fördern von Lernen und Entwicklung durch realistische und verkraftbare Frustration, Konsequenzen und Verantwortungsübertrag

Zusätzlich kann ich folgende Tipps geben:

Auseinandersetzung mit der eigenen HB:

Da Intelligenz eine hohe genetische Komponente hat, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass mindestens ein Elternteil auch hochbegabt ist und durch das Kind damit konfrontiert wird. V.a. Frauen entdecken Ihre eigene Begabung oft erst, wenn Sie sich mit der HB Ihres Kindes auseinandersetzen. Manche HB wissen von Ihrer HB, haben aber keinen positiven Umgang damit entwickelt. Es ist sinnvoll, sich mit den eigenen Haltungen, Erfahrungen und Gefühlen auseinanderzusetzen und einen konstruktiven Umgang zu entwickeln, um dem Kind ein hilfreiches Modell sein zu können. Wenn die Lösungsfindung schwer fällt oder die Auseinandersetzung schmerzhaft ist, kann professionelle Unterstützung notwendig sein. Auch der Austausch mit anderen Hochbegabten kann helfen. Bei Mensa gibt es z.B. Mailinglisten für Späterkannte oder Underachiever, in denen Erfahrungen und Tipps ausgetauscht werden (Kontakte). 

Hohes Aktivitätsniveau / Inputbedarf des Kindes:

  • Eigene Lerninitiativen des Kindes sollten nicht unterbunden sondern unterstützt werden. Selbst dann nicht, wenn sie Schulstoff vorwegnehmen, das Kind sich z.B. in der Kita Lesen und Schreiben beibringt. Die Eigeninitiative zu unterbinden oder zu ignorieren ist ein fatales Zeichen für das Kind und kann dazu führen, dass es Lernmotivation und Interesse mit Frustration und Ablehnung verknüpft. Außerdem wird das hochbegabte Kind, das Interesse am Lesen und Schreiben hat, auch in der Schule nicht lange brauchen, um dies zu können und durch das Fernhalten ist nicht viel gewonnen. Wenn man selber Stoff anbietet, ist es optimal, wenn dieser keinen Schulstoff vorwegnimmt. Ein Jugendlicher könnte z.B. eine Computerprogramm oder eine Sprache erlernen, die die Schule nicht anbietet oder die er nicht gewählt hat.

    Die Hochbegabtenverbände haben meist ein sehr gutes und günstiges Angebot an Seminaren, Tagungen und Freizeiten für HB (Kontakte).
  • Oft sind HB hinsichtlich Ihrer Sprache und Interessen so weit, dass die altersgerechte Literatur sie nicht reizt. Literatur für höhere Altersstufen überfordert sie aber evtl. thematisch und emotional. Ab einer gewissen Altersstufe wird in fast allen Büchern Liebe, Sex oder Gewalt thematisiert. Eine Leseratte nicht mehr lesen zu lassen ist natürlich keine Option. Eine Möglichkeit ist, Absprachen mit Kind zu treffen, z.B. dass es diese Stellen überblättert oder sich an einen wendet und man die Dinge bespricht.
  • Manche HB sind „nicht tot zu kriegen“. Selbst wenn man mit Ihnen drei spannende Angebote am Tag durchgeführt hat, möchten sie gerne noch mehr. Viele benötigen wenig Schlaf. Hier ist es wichtig, dass man dem Kind früh beibringt, sich auch alleine zu beschäftigen und sich als Eltern Auszeiten definiert und nimmt (z.B. eine längere Mittagspause und abends von 20.00h bis 22.00h Uhr).
  • Falls es Schwierigkeiten gibt und man sich viele Sorgen macht, können diese für einen selbst und die Beziehung eine große Belastung darstellen. In diesem Fall ist es besonders wichtig, sich Auszeiten zu nehmen, in denen man sich entspannt und ablenkt und schöne Paarzeiten zu organisieren.

Hohes Gerechtigkeitsempfinden und intensive Wut:

Diese Thematik bekommt man meist nur über einen sehr langen Zeitraum in den Griff. Folgende Tipps haben sich in meiner Praxis bewährt:

  • Grundsätzlich Wärme und Halt geben
  • Vergegenwärtigen, dass das Kind sich bemüht und es sich auch anders wünscht
  • Ausreichend Grenzen setzen und Auswirkungen von Verhalten in ruhiger Minute besprechen, damit das Kind ausreichend soziale Kompetenzen erwerben kann. 
  • Mit dem Kind gemeinsam Lösungen und Absprachen erarbeiten (z.B. mit dem „Ich- schaff ́s“- Programm von Ben Fuhrmann)
  • Vertiefendes Wissen und weitere Tipps finden Sie unter Gerechtigkeitsempfinden und Hochsensibilität und Emotionalität

Kritisches Denken / Entzauberung

Es kann manchmal sehr frustrierend sein, wenn man mit viel Mühe ein tolles Angebot durchgeführt hat oder einem ein Film o.ä. sehr gut gefallen hat und das dann vom Kind sehr kritisch analysiert und „verissen“ wird. Das liegt daran, dass einem HB Unstimmigkeiten in besonderer Art und Weise auffallen und verstärkt negative Gefühle auslösen. Deshalb muss man manches aushalten. Wenn es jedoch zu viel wird, sollte man dies dem Kind erklärend und vorwurfsfrei rückmelden und Grenzen setzen (z.B. „Es ist schade für mich, dass es Dir nicht gefallen hat, weil ich es anders empfinde / mir Mühe gegeben habe / ...“ . „Weitere Kritik wird mir zu viel, kannst Du es bitte mit jemand anderem besprechen oder für Dich behalten?“). Hierdurch lernt das Kind, sich in den anderen hineinzuversetzen und seine Außenwirkung einzuschätzen.

Außerdem empfiehlt es sich, dass Kind bei der Auswahl der Aktivitäten viel mitbestimmen zu lassen und es mitveranwortlich für das Gelingen zu machen.

Diskussionsfähigkeit des Kindes

Manche hochbegabte Kinder können einen an die Wand diskutieren und hochbegabte Jugendliche sind differenziert dagegen.... Das erste Problem hieran ist, dass sie sich dadurch vor Verantwortung drücken können, was zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Persönlichkeitsentwicklung führen kann. Das zweite Problem ist, dass, wenn der HB sich fast immer durchsetzt, andere den Kontakt als frustrierend erleben und beginnen den HB zu meiden. 

Deshalb empfehle ich für diesen Fall, dass Sie auf sehr sinnvolle Argumente eingehen, aber Grenzen setzen: nicht alles muss einer Logik folgen und er HB muss lernen, Dinge und Bedürfnisse zu akzeptieren.

Hier ein paar Beispiele, wie Grenzen gesetzt werden können:

  • „Ich habe mehr Erfahrung als Du.“
  • „Die Diskussion kostet mich zu viel Kraft / Zeit / ist mir jetzt zu anstrengend.“
  • „Es fühlt sich für mich stimmiger an.“
  • „Es zählt nicht nur die Logik, sondern auch....“ u.ä.

Nicht auf die Intelligenz reduzieren

  • Vermeiden Sie auch in Frustration- oder Streitsituationen Aussagen wie "Du bist doch sonst so intelligent...", "Wenn Du wirklich intelligent wärst..." o.ä.. Intelligenz wird hierdurch als Abwertung oder Druckmittel eingesetzt und es können negative Dynamiken entstehen.
  • Eine alleinige Zurückführung von Leistungen auf die Intelligenz begünstigt ein Fixed-Mind-Set und kann zu Angst vor Herausforderungen führen.
  • Vermitteln Sie, dass der Mensch vielfältig ist und es selbst und andere Menschen sehr viele positive und wichtige Eigenschaften haben, die man wertschätzen kann und dass Intelligenz nur eine davon ist.

Eskalationen

In einigen Familien kommt es zu massiven und sich wiederholenden Eskalationen, die für alle Mitglieder sehr belastend sind. Ich möchte die Familien, die betroffen sind, gerne entlasten. Sie sind nicht allein und die großen Schwierigkeiten müssen nicht heißen, dass sie etwas grundlegend falsch machen und schlechte Eltern, Töchter oder Söhne sind. Ich erlebe immer wieder Familien, in denen alle sehr bemüht sind, die Eltern ihre Kinder sehr lieben und sinnvolle Erziehungsmaßnahmen ergreifen und die Situation trotzdem immer wieder eskaliert. Wenn bestimmte Eigenschaften sehr ausgeprägt sind (z.B. die Emotionalität) oder die Umweltbedingungen ungünstig sind und das Kind unter einer hohen Grundanspannung steht (z.B. durch die Schulsituation), bekommt man die Schwierigkeiten trotz starkem Bemühen manchmal nicht in den Griff. Versuchen Sie in diesem Fall Auszeiten von den Konflikten und trotz allem positive gemeinsame Erlebnisse zu schaffen. Holen Sie sich professionelle Unterstützung von jemanden, der sich mit der Thematik auskennt. Er kennt die Schwierigkeiten und Sie brauchen keine Angst vor Verurteilung zu haben. Ich hoffe, Ihnen die Suche durch die Therapeutenliste zu erleichtern.

Weitere Tipps

Ein sehr guter und umfassender Erziehungsratgeber ist das Buch "Hochbegabte Kinder - Das große Handbuch für Eltern" von James T. Webb aus dem Huber Verlag  

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